Seite 253 - Informationen rund um den Obus – informations about trolleybuses   www.obus269.homepage.t-online.de

 

Die 4.Generation –               

Bei Feuer droht Gefahr durch Gift?

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Mit dieser Überschrift (ohne Fragezeichen) machte die Solinger Morgenpost auf die Verwendung von Polystyrol-Hartschaum (Styropor) aufmerksam. Hier der Artikel im Wortlaut:

 

 

 

Niederländischer Hersteller setzte Styropor als Dämmstoff ein

 

                       Neuer Obus: Bei Feuer droht Gefahr durch Gift

 


                       (RP). Styropor: Gerät es in Brand, entwickelt sich
                       schwarzer Rauch. Wer diesen Qualm einatmet, kann
                       sterben, denn der Rauch enthält zahlreiche Atemgifte.
                       Styropor verwendete auch die niederländische Firma
                       Berkhof beim Bau des neuen Obusses für die Klingenstadt.
                       Ist dieses Fahrzeug eigentlich sicher? Die Experten sagen
                       ja, der Obus wurde von einem Gutachter der
                       Bezirksregierung "nach den Regeln der Technik als sicher"
                       bezeichnet . Aber erst nachdem das Styropor aus dem
                       Dach ausgebaut wurde. Noch steckt es aber in den
                       Seitenverkleidungen. Erst Busse, die noch gebaut werden
                       müssen, will die Firma Berkhof Styropor-frei bauen.

 

                       Der Neue sollte dem Image Solingens als Obusstadt mehr
                       Fahrt verleihen. "Umweltfreundlich, komfortabel", lobte
                       Conrad Troullier, kaufmännischer Geschäftsführer den neuen
                       Obus, der auch europäischen Geist über die Straßen der
                       Stadt transportieren sollte. Denn gemeinsam mit den
                       Verkehrsbetrieben im niederländischen Arnheim hatten die
                       Solinger Werke den Auftrag für 15 neue Gelenk-Obusse
                       ausgeschrieben. Den Zuschlag bekam der niederländische
                       Hersteller Berkhof, die Elektrik steuerte die Firma Traxis bei -
                       ebenfalls aus den Niederlanden.

 

                       Im November wurde der Obus 2000 der Öffentlichkeit
                       präsentiert, und eigentlich hätte er seit Jahresbeginn schon
                       Fahrgäste befördern sollen. Aber: "Die Abnahme nach der
                       Straßenverkehrszulassungsordnung zog sich länger als
                       erwartet hin", begründete Peter Hanz, Leiter der
                       Fahrzeuglogistik bei den Werken, gestern.

 

                       Ein Knackpunkt: Der niederländische Hersteller Berkhof
                       verwendete Styropor als Dämmmaterial. Das entfachte eine
                       Diskussion zwischen dem TÜV-Prüfer und dem Gutachter der
                       Bezirksregierung, der dem Obus die Betriebsgenehmigung
                       erteilt. Während der TÜV-Prüfer den Bus als Fahrzeug
                       einschätzte, stellte sich der Gutachter der Bezirksregierung
                       auf den Standpunkt: Ein Obus, der elektrisch betrieben wird,
                       sei mehr eine Bahn, für die strengere Sicherheitsvorschriften
                       gelten.

 

                       Begründung: Bahnen fahren auch im Tunnel. Letztlich wurde
                       das Styropor aus der Dachverkleidung entfernt. Denn auf
                       dem Dach ist die Klimaanlage des Niederflurbusses
                       untergebracht, und die steht unter einer Spannung von 600
                       Volt. Statt Styropor wurde Polyurethan eingesetzt, das bei
                       einem Feuer im Bus weniger gefährlich ist, weil es kaum
                       Atemgifte freisetzt.

 

                       Änderungen vereinbart

                       "Nicht entfernt wurde indes das Styropor aus den
                       Seitenverkleidungen", räumte Hanz auf Nachfrage ein. Und
                       auch bei den fünf Bussen, die in der kommenden Woche von
                       der Firma Berkhof ausgeliefert werden, ist der Dämmstoff
                       enthalten, der bei einem Feuer schnell so viele hochgiftige
                       Gase freisetzt, dass Fahrgästen bei einem Unglück der
                       qualvolle Erstickungstod drohen könnte.

 

                       Wenn sie nicht rechtzeitig aus dem Bus entkommen können.
                       Was wiederum schwer sein könnte: Denn brennt dieser
                       Dämmstoff, entwickelt sich schnell schwarzer Rauch, so dass
                       man die Hand vor Augen nicht mehr sehen kann. So erklärt
                       ein Feuerwehrmann die möglichen Gefahren. Als gänzlich
                       unbedeutend wird bei den Stadtwerken das Risiko durch
                       Styropor aber nicht eingeschätzt. Hanz: "Wir haben mit
                       Berkhof verschiedene Änderungen vereinbart, dazu gehört
                       auch, dass dieser Dämmstoff nicht mehr verarbeitet wird."

 

                       Sicherheit der Fahrgäste

                        Noch ist bei den Werken aber nicht geplant, auch die ersten
                       sechs Obusse mit dem ungefährlicheren Polyurethan
                       abzudämmen. "Da müsste der Bus ja wieder demontiert
                       werden." Möglicherweise rücken die Werke von diesem
                       Standpunkt ab. "Ich muss mich intensiv mit dem Thema
                       auseinandersetzen", so Troullier gestern zur Morgenpost.
                       "Die Sicherheit der Fahrgäste", so versicherte der
                       kaufmännische Geschäftsführer, "geht aber in jedem Fall
                       vor".

 

                                                Von ARCHIBALD PREUSCHAT aus der Solinger Morgenpost,

                                                                       Ausgabe:  Samstag, den 20.01.2001

 

 

Nach einem Pressetermin der Stadtwerke Solingen am 29.01.2001 wurden anderntags folgende Artikel in den beiden Tageszeitungen  veröffentlicht:

 

 

 

Stadtwerke ziehen keine Konsequenzen - Styropor kommt in jedes neue Fahrzeug

Obus: Sicherer geht`s nicht

 

(RP). In alle 15 neuen Obusse, die die niederländische Firma Berkhof für Solingen baut, wird Styropor als Dämmmaterial eingebaut. Die Stadtwerke werden nun doch nichts an der Konstruktion ändern. Die Diskussion um die Sicherheit der neuen Obusse brachte ein Morgenpost-Bericht am 20. Januar ins Rollen. Eine Woche lang berieten die Werke - gestern verkündeten sie: Alles bleibt so, wie es ist. Wohl musste Peter Hanz, bei den Werken für die Fahrzeuglogistik zuständig, gestern zugeben: "Polyurethan ist schwerer zu entflammen als Styropor."

Polyurethan nehme aber Feuchtigkeit auf und sei deswegen als Dämmmaterial für den Obus nur bedingt geeignet. Die Stadtwerke argumentieren: Sowohl Styropor als auch Polyurethan gehörten zur Brandstoffklasse B1 - schwer entflammbar.

Polyurethan statt Styropor: Im Bereich der Heizung sei das eine Vorsichtsmaßnahme. Nur die Heizung befindet sich im Inneren des Obusses. Sie steht wie fünf andere Bauteile (auf dem Busdach) unter einer Spannung von 600 Volt. Polyurtehan hat gegenüber Styropor den Vorteil, dass es mit einer Folie überzogen ist. Flammen müssten diese Folie erst durchdringen, ehe sie an den eigentlichen Dämmstoff gelangen. Und im Bereich der Heizung, wo es aufgrund eines technischen Defektes zu Funkenflug kommen könnte, sei das sinnvoll. Dabei ist der Gutachter davon ausgegangen, dass der Obus mit einem Schienenfahrzeug vergleichbar sei.

"Die Dinge im Obus liegen noch ein bisschen anders", so Conrad Troullier, Kaufmännischer Geschäftsführer der Stadtwerke, gestern. "Der Obus ist ein im Vergleich zu Straßenbahn oder Zug ein kurzes Fahrzeug. Ein Feuer könnte der Fahrer schnell bemerken. Der neue Obus hat sieben direkte Notausstiege - drei Türen und vier Dachklappen.

Bewusst haben wir darauf verzichtet, die Zahl der Dachklappen zu reduzieren. Das wäre mit einer Ausnahmegenehmigung möglich gewesen", betonte Troullier. Zudem seien die Heizungen in geschlossenen Metallkästen untergebracht, abgeschottet gegen die Wagenbauteile. Die Heizungen sind darüber hinaus mit einem Überhitzungsschutz ausgestattet.

 

Hitze, Kälte, Geräusche

Gänzlich auf Styropor könnte beim neuen Obus aber nicht verzichtet werden. Das Material dämme gegen Kälte, Hitze und Geräusche, wiege nicht viel. Und vor allem: Styropor erfüllt lange seinen Zweck. Im Gegensatz zu Polyurtehan nehme es keine Feuchtigkeit auf. Genau das ist das Problem beim alten Obus: Die Wolle, die bei ihm als Dämmmaterial eingesetzt wurde, hat sich im Laufe der Jahre mit Feuchtigkeit vollgesogen.

Troullier: "Die Busse sind tatsächlich schwerer geworden." Ein Leichtgewicht in Sachen Sicherheit sei der neue Obus aber nicht. "Wenn`s brennt, setzen Styropor wie auch Polyurethan Kohlenmonoxid frei, wie alle anderen organischen Stoffe auch", so Troullier. Dabei beruft er sich auf Untersuchungen aus dem Jahr 1967.

In der kommenden Woche wird der Neue dann Fahrgäste mitnehmen. Ab März werden weitere Fahrzeuge ausgeliefert sein, dann "kann der Obus flächendeckend eingesetzt werden", so Troullier gestern.

Von ARCHIBALD PREUSCHAT

Aus der Solinger Morgenpost, Ausgabe 30.01.2001

 

 

           Dämmstoff im neuen Obus gefährlich?

           Neue Obus-Generation: Stadtwerke zerstreuen Bedenken

         am Dämm-Material Polystyrol

           von  Jan Crummenerl

 

Der Gutachter der Bezirksregierung monierte

            am neuen Obus der Stadtwerke - gebaut von der

            niederländischen Firma Berkhof - den Dämmstoff

            über der Heizungsanlage des Busses (Foto). Das

            verwendete Polystyrol wurde durch Polyurethan

            ersetzt. Das ließ Zweifel,  besonders im Brandfall, an

            der Sicherheit dieses Isolierstoffes Polystyrol aufkommen,

            der weiterhin in Decke und Wänden verwendet wird.

           Nach erneuter Überprüfung ("Die Sicherheit der Fahrgäste

           hat Vorrang", so Conrad Troullier, kaufmännische Geschäftsführer

           der SWS) durch die Stadtwerke, konnten diese den Dämmstoff

           als unbedenklich einstufen.

 

           "Polystyrol ist in die Brandklasse B 1 eingestuft", erklärt Peter

           Hanz, Leiter der Fahrzeuglogistik. Damit gehört dieses Styropor

           zu den schwer entflammbaren Stoffen - also zur sichersten

           Brandklasse dieser Kategorie. Zur selben Klasse gehört auch

           Polyurethan, das noch schwerer entflammbar ist. Conrad Troullier:

           "Durch den Austausch haben wir in Sachen Sicherheit noch einen

           drauf gesattelt." Eine durchgängige Verwendung dieses

           Dämmstoffes ist aber weder möglich noch wünschenswert. Zum

           einen kann dieses von einer Extrafolie umgebene Material

           technisch nicht überall eingebaut werden. Zum anderen ist

           Polyurethan - im Gegensatz zu Polystyrol - nicht

           wasserabweisend.

 

           Brandklasse B 1: schwer entflammbar

           Peter Hanz: "Hier könnte sich also Kondensfeuchtigkeit

           sammeln." Das Problem ist von den alten Obussen her bekannt,

           deren Dämmwolle gleichfalls Wasser aufsaugt. "Feuchtigkeit im

           Bus und Korrosion sind die Folgen." Durch das gesammelte

           Wasser wird der Bus zudem schwerer und damit

           unwirtschaftlicher. "Ein Dämmstoff muss drei Bedingungen

           erfüllen", so Peter Hanz. "Er muss vor Hitze, Kälte und

           Geräuschen schützen, er muss eine lange Lebensdauer haben -

           und er muss leicht sein." Eine praktikable Alternative zu

           Polystyrol sehen die SWS nicht. Sollte das schwer brennbare

           Polystyrol dennoch einmal Feuer fangen, ist dessen Leichtigkeit

           ("Styropor besteht ja fast nur aus Luft") von weiterem Vorteil. "Wie

           bei allen organischen Stoffen entsteht auch hier bei der

           Verbrennung das giftige Kohlenmonoxid", erklärt Peter Hanz.

           "Durch die Leichtigkeit des Stoffes ist die tatsächliche Menge

           sehr gering."

 

           Obusse unterliegen der Straßenbahn-Verordnung

           Dass der Stoff in einem einzelnen Bereich beanstandet wurde,

           liegt an dem besonderen Zulassungsverfahren für Obusse. Zum

           einen ist da die Straßenverkehrszulassung, die der neue Bus

           problemlos passiert hat. Zum anderen unterliegt er - da es keine

           speziellen Vorordnungen für Obusse gibt - der Verordnung über

           den Bau und Betrieb von Straßenbahnen. Und diese sei recht

           streng, da hier beispielsweise auch der Brandschutz von

           Straßenbahnen in Tunneln berücksichtigt werden muss. Nach

           Einschätzung der SWS ist nicht nur allen Bestimmungen

           Rechnung getragen, sondern, so Conrad Troullier, mögliche

           Gefahren auf das Kleinstmögliche reduziert worden. Eine

           100-prozentige Sicherheit gibt es natürlich nicht. Das könnte nur

           die Verwendung nichtbrennbarer Materialien vielleicht leisten. Aber

           Beton etwa könne in einem Bus eben nicht verwendet werden. Der

           erste der 15 neuen Obusse soll in der übernächsten Woche den

           Linienverkehr in Solingen aufnehmen.

 

           Solinger Tageblatt vom 30. Januar 2001

 

 

Ferner brachte WDR3 „Lokalzeit Bergisch Land“ in der Ausgabe vom 29.1.2001 einen kurzen Fernsehbericht über den Pressetermin.

 

Es bleibt noch hinzuzufügen, dass der Wagen in der übernächsten Woche für den Linienverkehr zugelassen wird, jedoch erst dann die Fahrten zur Schulung aller Fahrer aufgenommen werden. Weiterhin ist beabsichtigt, erst nach Anlieferung weiterer Gelenkobusse den Linienbetrieb aufzunehmen. Dieses soll demonstrativ nach Möglichkeit mit einem formellen „Band zerschneiden“ an einem Tag im März erfolgen. Der genaue Zeitpunkt wird noch nicht festgelegt. „Wir wollen uns nicht terminlich unter Druck setzen, die Qualität der Fahrzeuge geht vor“, so die Stellungnahme hierzu.

 

Abschließend noch der Kommentar einiger Nicht-Solinger anlässlich der Pressekonferenz: „Die Solinger schaffen es immer wieder, etwas Positives und Imageförderndes für ihre Stadt schlecht zu reden“.

 

 

 

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