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255/809 - Informationen rund um
den Obus – informations about trolleybuses www.obus269.homepage.t-online.de
Besuch
bei der Firma Van Hool am 30.11.2001
Nachdem die Mitglieder und Freunde des Obus-Museum Solingen e.V.
bereits im August 2000 die Produktionsstätte der ersten 15 neuen Solinger
Gelenkobusse besuchen konnten, war der Wunsch groß, auch die Produktion der 20
nächsten „Neuen“ zu besuchen.
Mit freundlicher Unterstützung der Firma Kiepe
konnte ein Besuchstermin am Freitag, den 30.11.2001 ermöglicht werden. Um 8:00
Uhr ging die Fahrt ab Solingen los, bedingt durch einige Staus auf den
deutschen Autobahnen kamen wir erst gegen 12:00 Uhr im Werk der Firma Van Hool an. Hier wurden wir von den
Herrn Geerts, Huysmans und Goffin
sowie Herrn Arens von der Firma.Kiepe begrüßt. Zur
Einstimmung zeigte man uns einen Werbefilm, der uns über den Werdegang der
Firma Van Hool informierte. Wir erfuhren, dass
Bernard Van Hool im Jahre 1947 die Firma gründete, um
Busaufbauten herzustellen. 1964 kam die Produktion von Nutzfahrzeugen hinzu.
Auch heute befindet sich die Leitung der Firma in Familienhand. Über 4000
Mitarbeiter arbeiten heute auf dem mittlerweile 47 ha großem
Areal. Etwa sieben Busse pro Tag werden fertiggestellt,
dies ergibt eine Jahresproduktion von etwa 1600-1700 Fahrzeugen. Ein Zweigwerk
liegt noch in 100 km Entfernung, dort werden im wesentlichen
Aufbauten auf fremden Fahrgestellen hergestellt. Sonst betreibt die Firma Van Hool lediglich Stützpunkte für den Unterhalt der
ausgelieferten Fahrzeuge, insbesondere im Ausland.
Die Gelenkobusse sind im wesentlichen
baugleich zu den Dieselbusse des Typs AG300. Lediglich der Dachaufbau ist
anders, um die Elektrik aufzunehmen. Die neue Form der Dieselbusse, die derzeit
bei der Herstellung von 33 Gelenkwagen für die Fa.Connexxion
verwendet werden, kommt bei den Obussen noch nicht zum Tragen.
Mit einem Reisebus konnten wir eine Rundfahrt über das
gewaltige Werksgelände durchführen. Von dem 47 ha großen Gelände sind 25 ha überbaut,
der Rest dient als Aufstellfläche für zahlreiche Busse, die fertiggestellt
waren oder auf Unterhaltungsarbeiten warteten. So waren einige Genter Obusse
bei diesen Wagen zu finden. Die mittlerweile 12 Jahre alten Fahrzeuge werden
bei der Firma Van Hool nach und nach generalüberholt.
Stark auffällig waren die Solodieselbusse für den südlichen belgischen Raum,
und zwar durch Ihre gelbe Lackierung. Optisch ähnelten sie damit den für Athen
gelieferten Obussen. Die letzten dieser 112 Obusse für Athen hatten übrings Mitte 2001 das Werk in Richtung Athen verlassen.
Außerdem fielen zahlreiche weiße Busse auf, die für den amerikanischen Markt
produziert werden und dort „von der Stange“ verkauft werden.
Die Fahrt endete an der Halle der Busproduktion. Hier wird
die Rohkonstuktion der Busse hergestellt. Die
Seitenteile und die Dachkonstruktion werden auf Tischen montiert, die dann mit
maschineller Hilfe zusammengesetzt werden. Wir fanden hier die ersten Rohbauten
von Obussen, und zwar einige für Salzburg bestimmte Wagen. Der baulich am
weitesten fortgeschrittenen Salzburger Obusse befanden sich in der
Grundierungshalle. In jedem Hallenbereich wird ein bestimmter Produktionsstand
bearbeitet. Herr Geerts erklärte uns, dass in den Abendstunden, nachdem die
Werksarbeiter mit normaler Schicht ihre Arbeit beendet haben, die im Bau
befindlichen Wagen versetzt werden. In einer Seitenhalle wurde uns das
gewaltige Lager gezeigt. Die hier gelagerten Profile aller Art werden mit einem
computergesteuerten Kran für die Verarbeitung bereitgestellt. In einer weiteren Hallenabschnitt befand sich die Herstellung
von Kleinteilen. Eine per Computer gesteuerte Maschine schnitt gerade aus einem
Blech zahlreiche Kleinteile, diese erhielten dann in einen benachbarten
Hallenabschnitt in eine Pulverbeschichtung.
Anschließend besichtigten wir die
Lackierhallen. Der Vorgang der Lackierung dauert etwa 4-6 Stunden, bei mehreren
Farben etwas länger. Nach der Lackierung werden die Wagen in die
Verarbeitungshalle gezogen. Dort erhielten die lackierten Rohbauten die
Verglasung der Fenster sowie den Innenausbau. Dort befand sich dort auch der
erste Solinger Gelenkobus (Werk-Nr. 60961). Hier
erfolgte gerade der Einbau der Glasscheiben , die bis
auf die Frontscheibe geklebt werden. Am gleichen Arbeitsplatz erfolgt auch der
Einbau der Sitze. Zahlreiche Sitzarten warteten seitlich auf den Einbau. Die
Solinger Fahrzeuge erhalten Sitze der Firma Kiel, die Wahl fiel auf diesen
Hersteller, da diese einen rückengerechten Sitz anbieten. Neben dem Solinger Fahrzeug
stand auch ein Doppelgelenkwagen für Utrecht. 27 Wagen in blau-weißen Farben
wurden bestellt, nachdem der Prototyp vor einigen Jahren ausgiebig getestet
wurde. Der Prototyp wurde mittlerweile nach Angola verkauft.

Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme befindet sich auch der erste
Solinger Gelenkobus in der Schlussmontagehalle. Die Werksaufnahme stammt von Mitte
Dezember, die mit freundlicher Genehmigung der Firma Van Hool
zum Abdruck übermittelt wurde.
Nach ausgiebigen
Besichtigung des Solinger Fahrzeugs verließen wir diesen Hallenkomplex und
überquerten die nicht zum Werksgelände gehörige Straße, die seit einigen Jahren
den Namen des Werksgründers Bernard Van Hool trägt.
In dem Hallenkomplex, den wir nun besichtigten, war einerseits die
Schlussmontage untergebracht, andererseits wurden dort das Chassis
zusammengebaut, bei Dieselbussen mit Motor, die Obusse nur mit den mechanischen
Bodengruppen. Zahlreiche Motoren standen für den Einbau bereit, die unter
anderem von den Firmen MAN, Detroit Diesel und DAF zugeliefert wurden. In dem
Hallenabschnitt konnte die Bodengruppen Nr. 29669 für einen Salzburger Obus besichtigt
werden. Auffällig für die Salzburger Wagen ist die graue Grundierung der
Konstruktionsteile, die auf Wunsch der Salzburger Verkehrsbetriebe gewählt
wurde. Die Bodenbauteile anderer Wagen sind in schwarzem Anstrich versehen. Die
Antriebsachse stammte von der Firma ZF, die übrigen Aschen wurden von der Firma
Van Hool selbst hergestellt.
In einem weiteren Hallenabschnitt konnte dann
der erste Esslinger Gelenkobus mit der Werks-Nr.
60952 begutachtet werden. Der Aufbau des Wagens ist komplett fertiggestellt, auch die Fahrzielanzeige war eingebaut, sie
Zeigte die Beschilderung „Schulbus“. Diese Matrix-Anzeigen werden
von der Firma LLE zugeliefert. Im Gegensatz dazu erhalten die Solinger
Fahrzeuge weiterhin eine Anzeige der Firma Innotron.
Der Wagen ist in weißer Lackierung gehalten und wird zur Zeit
von der Firma Kiepe fertigmontiert. Eine Auslieferung
ist nun für die 6.Kalenderwoche 2002 vorgesehen.

In der Schlussmontagehalle erfolgte zum Zeitpunkt unseres
Besuchs die Montage der elektrischen Ausrüstung am ersten Esslinger Gelenkobus.
Hier eine Werksaufnahme von Mitte Dezember, die ebenfalls mit freundlicher
Genehmigung der Firma Van Hool zum Abdruck
übermittelt wurde.
Herr Arens erklärte kurz die wesentliche
Merkmale der von Kiepe eingebauten elektrischen Ausrüstung: Die bereits
montierten Stromabnehmerstangen mit entsprechenden Köpfen des Typs OSA 200
übertragen von der Oberleitung die Energie zum Fahrzeug (600V Gleichspannung).
Diese wird dann über die Hauptschütze dem Traktons-Umrichter
(DPU)zugeführt und dort in Drehstrom umgewandelt. Dabei erhält der DPU Signale
vom dem elektronischen, microprozessor-gesteuertemFahr-Bremsregler
(Antriebssteuermodul ASM und Umrichtersteuermodul USM). Je nach zu erzielender
Geschwindigkeit wird Drehstrom von 0 bis 140 Hz-Frequenz, entsprechend der
Drehzahl von 0 bis 4200 Umdrehungen je Minute, erzeugt. Mit diesem Drehstrom
wird der Motor gespeist. Ebenfalls auf dem Dach befindet sich der Bordnetzumrichter. Hier wird aus der Oberleitungsspannung
die Bordnetzspannung 24 V für die Batterieladung undDrehstrom
AC 400/230V/50 Hz für Hilfs- und Nebenaggregate (Kompressor, Lenkhilfepumpe,
Lüfter) erzeugt. Beide Umrichtersind im Dach des
Fahrzeugs integriert, so dass im Wageninneren keine Starkstromleitung verläuft.
Eine Ausnahme bilden die Heizgeräte, die direkt vom Strom der Oberleitung
gespeist werden. Diese befindet sich jedoch im Dachbereich. Dadurch wird die Leitungsführungen durch den Fahrgastraum vermieden.
Der gesamte Datenaustausch für die Traktionsgeräte (Fahrerarbeitplatz, Traktionsumrichter, Bordnetzumrichter,
Heizgeräte und div. Steuerungen) erfolgt durch das CAN-Bussystem.
Das Notfahraggregat
der Esslinger Obusse besteht aus einem 50 kW starken Dieselmotor und einem
direkt gekoppelten Drehstromgenerator. Dieser Drehstrom wird dann
gleichgerichtet und die 600V Gleichspannung dem Traktionsumrichter
als Ersatz für die Oberleitungsspannung zugeführt.Dieses
Aggregat ist im Heck des Obus angeordnet. Es wird von der Firma Antelec geliefert. In der Nähe des Esslinger Wagens stand
auch ein 80 kW starkes Notfahraggregat für das erste
Solinger Fahrzeug zur Besichtigung, dieses wird von der Firma Kirsch zugeliefert.
Der Motor des Esslinger Obus war bislang noch
nicht eingebaut. Dieser konnte in der benachbarten Halle besichtigt werden. Der
von der Firma Skoda hergestellte Motor wiegt ca. 600 kg, also wesentlich
weniger als ein vergleichbarer Dieselmotor, der etwa doppelt so schwer ist.
Herr Arens erklärte uns, dass die benutzbare Leistung des Elektromotors im wesentlichen auch von der Kühlung, also von der Größe des
Fremdlüfters abhängt. Dementsprechend wird der ansonsten baugleiche Motor in
verschiedenen Ausführungen geliefert, für Arnheim mit
150 kW, für Salzburg mit 172 kW, für Esslingen und Solingen mit 220 KW. Den
Spitzenwert weisen die Mailänder Obusse mit einer maximalen Leistung von250 kW
auf. Wichtig für die Fahrleistung des Obusses ist jedoch das Drehmoment des
Motors. Maximal können 2.100 NM erreicht werden, das normalerweise benutzte
Drehmoment gemessen an der Motorwelle liegt bei 1.700 bis 1.800 NM. Im
Vergleich dazu bringt ein Dieselmotor nur eine
Drehmoment von ca. 800 NM, das dann allerdings über Schaltgetriebe der Achse
zugeführt wird
Auf dem Außengelände konnten die Bodengruppen
von weiteren Gelenkobussen fürEsslingen mit der Werks-Nr. 60953, 60954 und 60955 besichtigt werden. An
einem erklärte Herr Geerts die Funktion der Gelenkübertragung der Lenkung.
Durch einen sogenannten Schmetterling werden
Lenkungsimpulse an die Rückachse übertragen. Diese wird nur bei größeren Kurven
gelenkt. Somit bleibt der Wagen auch bei ungünstigen Straßenverhältnissen
stabil. Außerdem wird ein Ausbrechen durch stärkeres Bremsen des Nachläufers
vermieden.
Ferner waren einige Bauteile für Salzburger
Obusse mit der Werks-Nr. 29670 und 29671 zu finden.
Es werden somit erst die beiden ersten Fahrzeuge für Esslingen und Solingen bis
März 2002 ausgeliefert. Anschließend erfolgt erst die Fertigstellung von 10
Obussen für Salzburg, ehe dann weitere Esslinger Fahrzeuge folgen. Weitere
Solinger waren zum Zeitpunkt unseres Besuchs noch
nicht in Bau. Trotzdem gaben sich die Vertreter der Firma Van Hool optimistisch, dass alle 20 Solinger Fahrzeuge bis Ende
2002 ausgeliefert werden. Dem relativ langen Planungsprozess von 10-16 Monaten
folgt eine Fertigungszeit von etwa 25-32 Wochen einschließlich der vierwöchigen
Elektromontage, so dass die Auslieferung weitere Solinger Obusse ab Juni 2002
erwartet werden kann.
Abschließend wurden den Vertretern der Firmen
Van Hool und Kiepe für den interessanten Einblick in
die Obusproduktion gedankt. Nachdem wir zahlreiches Informationsmaterial
erhielten ging es dann heimwärts. Es war mittlerweile kurz vor 16 Uhr und wir
mussten uns beeilen, um nicht in den Stau der heimwärts fahrenden Arbeiter der
Hauptarbeitsschicht gerieten. Nach einem unfreiwilligen Umweg durch Liers, bedingt durch eine schlecht beschilderte Umleitung
gelangten wir straufrei nach Solingen, wo wir gegen
19:30 Uhr eintrafen.
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