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Besuch bei der Firma Van Hool am 30.11.2001

 

 

Nachdem die Mitglieder und Freunde des Obus-Museum Solingen e.V. bereits im August 2000 die Produktionsstätte der ersten 15 neuen Solinger Gelenkobusse besuchen konnten, war der Wunsch groß, auch die Produktion der 20 nächsten „Neuen“ zu besuchen.

 

Mit freundlicher Unterstützung der Firma Kiepe konnte ein Besuchstermin am Freitag, den 30.11.2001 ermöglicht werden. Um 8:00 Uhr ging die Fahrt ab Solingen los, bedingt durch einige Staus auf den deutschen Autobahnen kamen wir erst gegen 12:00 Uhr im Werk der Firma Van Hool an. Hier wurden wir von den Herrn Geerts, Huysmans und Goffin sowie Herrn Arens von der Firma.Kiepe begrüßt. Zur Einstimmung zeigte man uns einen Werbefilm, der uns über den Werdegang der Firma Van Hool informierte. Wir erfuhren, dass Bernard Van Hool im Jahre 1947 die Firma gründete, um Busaufbauten herzustellen. 1964 kam die Produktion von Nutzfahrzeugen hinzu. Auch heute befindet sich die Leitung der Firma in Familienhand. Über 4000 Mitarbeiter arbeiten heute auf dem mittlerweile 47 ha großem Areal. Etwa sieben Busse pro Tag werden fertiggestellt, dies ergibt eine Jahresproduktion von etwa 1600-1700 Fahrzeugen. Ein Zweigwerk liegt noch in 100 km Entfernung, dort werden im wesentlichen Aufbauten auf fremden Fahrgestellen hergestellt. Sonst betreibt die Firma Van Hool lediglich Stützpunkte für den Unterhalt der ausgelieferten Fahrzeuge, insbesondere im Ausland.

 

Die Gelenkobusse sind im wesentlichen baugleich zu den Dieselbusse des Typs AG300. Lediglich der Dachaufbau ist anders, um die Elektrik aufzunehmen. Die neue Form der Dieselbusse, die derzeit bei der Herstellung von 33 Gelenkwagen für die Fa.Connexxion verwendet werden, kommt bei den Obussen noch nicht zum Tragen.

 

Mit einem Reisebus konnten wir eine Rundfahrt über das gewaltige Werksgelände durchführen. Von dem 47 ha großen Gelände sind 25 ha überbaut, der Rest dient als Aufstellfläche für zahlreiche Busse, die fertiggestellt waren oder auf Unterhaltungsarbeiten warteten. So waren einige Genter Obusse bei diesen Wagen zu finden. Die mittlerweile 12 Jahre alten Fahrzeuge werden bei der Firma Van Hool nach und nach generalüberholt. Stark auffällig waren die Solodieselbusse für den südlichen belgischen Raum, und zwar durch Ihre gelbe Lackierung. Optisch ähnelten sie damit den für Athen gelieferten Obussen. Die letzten dieser 112 Obusse für Athen hatten übrings Mitte 2001 das Werk in Richtung Athen verlassen. Außerdem fielen zahlreiche weiße Busse auf, die für den amerikanischen Markt produziert werden und dort „von der Stange“ verkauft werden.

 

Die Fahrt endete an der Halle der Busproduktion. Hier wird die Rohkonstuktion der Busse hergestellt. Die Seitenteile und die Dachkonstruktion werden auf Tischen montiert, die dann mit maschineller Hilfe zusammengesetzt werden. Wir fanden hier die ersten Rohbauten von Obussen, und zwar einige für Salzburg bestimmte Wagen. Der baulich am weitesten fortgeschrittenen Salzburger Obusse befanden sich in der Grundierungshalle. In jedem Hallenbereich wird ein bestimmter Produktionsstand bearbeitet. Herr Geerts erklärte uns, dass in den Abendstunden, nachdem die Werksarbeiter mit normaler Schicht ihre Arbeit beendet haben, die im Bau befindlichen Wagen versetzt werden. In einer Seitenhalle wurde uns das gewaltige Lager gezeigt. Die hier gelagerten Profile aller Art werden mit einem computergesteuerten Kran für die Verarbeitung bereitgestellt. In einer weiteren Hallenabschnitt befand sich die Herstellung von Kleinteilen. Eine per Computer gesteuerte Maschine schnitt gerade aus einem Blech zahlreiche Kleinteile, diese erhielten dann in einen benachbarten Hallenabschnitt in eine Pulverbeschichtung.

Anschließend besichtigten wir die Lackierhallen. Der Vorgang der Lackierung dauert etwa 4-6 Stunden, bei mehreren Farben etwas länger. Nach der Lackierung werden die Wagen in die Verarbeitungshalle gezogen. Dort erhielten die lackierten Rohbauten die Verglasung der Fenster sowie den Innenausbau. Dort befand sich dort auch der erste Solinger Gelenkobus (Werk-Nr. 60961). Hier erfolgte gerade der Einbau der Glasscheiben , die bis auf die Frontscheibe geklebt werden. Am gleichen Arbeitsplatz erfolgt auch der Einbau der Sitze. Zahlreiche Sitzarten warteten seitlich auf den Einbau. Die Solinger Fahrzeuge erhalten Sitze der Firma Kiel, die Wahl fiel auf diesen Hersteller, da diese einen rückengerechten Sitz anbieten. Neben dem Solinger Fahrzeug stand auch ein Doppelgelenkwagen für Utrecht. 27 Wagen in blau-weißen Farben wurden bestellt, nachdem der Prototyp vor einigen Jahren ausgiebig getestet wurde. Der Prototyp wurde mittlerweile nach Angola verkauft.

 

Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme befindet sich auch der erste Solinger Gelenkobus in der Schlussmontagehalle. Die Werksaufnahme stammt von Mitte Dezember, die mit freundlicher Genehmigung der Firma Van Hool zum Abdruck übermittelt wurde.

 

Nach ausgiebigen Besichtigung des Solinger Fahrzeugs verließen wir diesen Hallenkomplex und überquerten die nicht zum Werksgelände gehörige Straße, die seit einigen Jahren den Namen des Werksgründers Bernard Van Hool trägt. In dem Hallenkomplex, den wir nun besichtigten, war einerseits die Schlussmontage untergebracht, andererseits wurden dort das Chassis zusammengebaut, bei Dieselbussen mit Motor, die Obusse nur mit den mechanischen Bodengruppen. Zahlreiche Motoren standen für den Einbau bereit, die unter anderem von den Firmen MAN, Detroit Diesel und DAF zugeliefert wurden. In dem Hallenabschnitt konnte die Bodengruppen Nr. 29669 für einen Salzburger Obus besichtigt werden. Auffällig für die Salzburger Wagen ist die graue Grundierung der Konstruktionsteile, die auf Wunsch der Salzburger Verkehrsbetriebe gewählt wurde. Die Bodenbauteile anderer Wagen sind in schwarzem Anstrich versehen. Die Antriebsachse stammte von der Firma ZF, die übrigen Aschen wurden von der Firma Van Hool selbst hergestellt.

 

In einem weiteren Hallenabschnitt konnte dann der erste Esslinger Gelenkobus mit der Werks-Nr. 60952 begutachtet werden. Der Aufbau des Wagens ist komplett fertiggestellt, auch die Fahrzielanzeige war eingebaut, sie Zeigte die Beschilderung „Schulbus“. Diese Matrix-Anzeigen werden von der Firma LLE zugeliefert. Im Gegensatz dazu erhalten die Solinger Fahrzeuge weiterhin eine Anzeige der Firma Innotron. Der Wagen ist in weißer Lackierung gehalten und wird zur Zeit von der Firma Kiepe fertigmontiert. Eine Auslieferung ist nun für die 6.Kalenderwoche 2002 vorgesehen.

 

 

In der Schlussmontagehalle erfolgte zum Zeitpunkt unseres Besuchs die Montage der elektrischen Ausrüstung am ersten Esslinger Gelenkobus. Hier eine Werksaufnahme von Mitte Dezember, die ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Firma Van Hool zum Abdruck übermittelt wurde.

 

Herr Arens erklärte kurz die wesentliche Merkmale der von Kiepe eingebauten elektrischen Ausrüstung: Die bereits montierten Stromabnehmerstangen mit entsprechenden Köpfen des Typs OSA 200 übertragen von der Oberleitung die Energie zum Fahrzeug (600V Gleichspannung). Diese wird dann über die Hauptschütze dem Traktons-Umrichter (DPU)zugeführt und dort in Drehstrom umgewandelt. Dabei erhält der DPU Signale vom dem elektronischen, microprozessor-gesteuertemFahr-Bremsregler (Antriebssteuermodul ASM und Umrichtersteuermodul USM). Je nach zu erzielender Geschwindigkeit wird Drehstrom von 0 bis 140 Hz-Frequenz, entsprechend der Drehzahl von 0 bis 4200 Umdrehungen je Minute, erzeugt. Mit diesem Drehstrom wird der Motor gespeist. Ebenfalls auf dem Dach befindet sich der Bordnetzumrichter. Hier wird aus der Oberleitungsspannung die Bordnetzspannung 24 V für die Batterieladung undDrehstrom AC 400/230V/50 Hz für Hilfs- und Nebenaggregate (Kompressor, Lenkhilfepumpe, Lüfter) erzeugt. Beide Umrichtersind im Dach des Fahrzeugs integriert, so dass im Wageninneren keine Starkstromleitung verläuft. Eine Ausnahme bilden die Heizgeräte, die direkt vom Strom der Oberleitung gespeist werden. Diese befindet sich jedoch im Dachbereich. Dadurch wird die Leitungsführungen durch den Fahrgastraum vermieden. Der gesamte Datenaustausch für die Traktionsgeräte (Fahrerarbeitplatz, Traktionsumrichter, Bordnetzumrichter, Heizgeräte und div. Steuerungen) erfolgt durch das CAN-Bussystem.

 

Das Notfahraggregat der Esslinger Obusse besteht aus einem 50 kW starken Dieselmotor und einem direkt gekoppelten Drehstromgenerator. Dieser Drehstrom wird dann gleichgerichtet und die 600V Gleichspannung dem Traktionsumrichter als Ersatz für die Oberleitungsspannung zugeführt.Dieses Aggregat ist im Heck des Obus angeordnet. Es wird von der Firma Antelec geliefert. In der Nähe des Esslinger Wagens stand auch ein 80 kW starkes Notfahraggregat für das erste Solinger Fahrzeug zur Besichtigung, dieses wird von der Firma Kirsch zugeliefert.

 

Der Motor des Esslinger Obus war bislang noch nicht eingebaut. Dieser konnte in der benachbarten Halle besichtigt werden. Der von der Firma Skoda hergestellte Motor wiegt ca. 600 kg, also wesentlich weniger als ein vergleichbarer Dieselmotor, der etwa doppelt so schwer ist. Herr Arens erklärte uns, dass die benutzbare Leistung des Elektromotors im wesentlichen auch von der Kühlung, also von der Größe des Fremdlüfters abhängt. Dementsprechend wird der ansonsten baugleiche Motor in verschiedenen Ausführungen geliefert, für Arnheim mit 150 kW, für Salzburg mit 172 kW, für Esslingen und Solingen mit 220 KW. Den Spitzenwert weisen die Mailänder Obusse mit einer maximalen Leistung von250 kW auf. Wichtig für die Fahrleistung des Obusses ist jedoch das Drehmoment des Motors. Maximal können 2.100 NM erreicht werden, das normalerweise benutzte Drehmoment gemessen an der Motorwelle liegt bei 1.700 bis 1.800 NM. Im Vergleich dazu bringt ein Dieselmotor nur eine Drehmoment von ca. 800 NM, das dann allerdings über Schaltgetriebe der Achse zugeführt wird

Auf dem Außengelände konnten die Bodengruppen von weiteren Gelenkobussen fürEsslingen mit der Werks-Nr. 60953, 60954 und 60955 besichtigt werden. An einem erklärte Herr Geerts die Funktion der Gelenkübertragung der Lenkung. Durch einen sogenannten Schmetterling werden Lenkungsimpulse an die Rückachse übertragen. Diese wird nur bei größeren Kurven gelenkt. Somit bleibt der Wagen auch bei ungünstigen Straßenverhältnissen stabil. Außerdem wird ein Ausbrechen durch stärkeres Bremsen des Nachläufers vermieden.

 

Ferner waren einige Bauteile für Salzburger Obusse mit der Werks-Nr. 29670 und 29671 zu finden. Es werden somit erst die beiden ersten Fahrzeuge für Esslingen und Solingen bis März 2002 ausgeliefert. Anschließend erfolgt erst die Fertigstellung von 10 Obussen für Salzburg, ehe dann weitere Esslinger Fahrzeuge folgen. Weitere Solinger waren zum Zeitpunkt unseres Besuchs noch nicht in Bau. Trotzdem gaben sich die Vertreter der Firma Van Hool optimistisch, dass alle 20 Solinger Fahrzeuge bis Ende 2002 ausgeliefert werden. Dem relativ langen Planungsprozess von 10-16 Monaten folgt eine Fertigungszeit von etwa 25-32 Wochen einschließlich der vierwöchigen Elektromontage, so dass die Auslieferung weitere Solinger Obusse ab Juni 2002 erwartet werden kann.

 

Abschließend wurden den Vertretern der Firmen Van Hool und Kiepe für den interessanten Einblick in die Obusproduktion gedankt. Nachdem wir zahlreiches Informationsmaterial erhielten ging es dann heimwärts. Es war mittlerweile kurz vor 16 Uhr und wir mussten uns beeilen, um nicht in den Stau der heimwärts fahrenden Arbeiter der Hauptarbeitsschicht gerieten. Nach einem unfreiwilligen Umweg durch Liers, bedingt durch eine schlecht beschilderte Umleitung gelangten wir straufrei nach Solingen, wo wir gegen 19:30 Uhr eintrafen.

 

 

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